Bastschuhe und Hakenpflug
Am 7. November 1918, ein Jahr nach dem Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, versammelten sich die Moskauer Werktätigen – Kommunisten und Sympathisierende– auf dem Platz der Revolution. Es sollte ein Denkmal eingeweiht werden. Und sie wollten dabeisein.
Die Menschen waren an diesem ersten Geburtstag ihres Sowjetstaates zusammengeströmt, obwohl sie Hunger litten, obwohl sie alles entbehren mußten, was sie zum Leben brauchten, und obwohl die Lage schlimm war. Konterrevolutionäre und ausländische Interventen hatten ihr Land mit Krieg überzogen. Dennoch wollten sie jene Männer ehren, die die Unvermeidlichkeit des Zusammen-bruchs des Kapitalismus und den Sieg des Kommunismus wissenschaftlich bewiesen hatten: Karl Marx und Friedrich Engels.
Sie waren um der Idee willen gekommen, die auf einem Sechstel der Erde zur materiellen Gewalt wurde.
Inmitten der großen Menschenmenge, am eben enthüllten Marx-Engels-Denkmal, stand Wladimir Iljitsch Lenin. Er sagte:
»Wir leben in einer glücklichen Zeit, in der sich das, was die großen Sozialisten vorausgesagt haben, zu erfüllen beginnt.«
Was hatten die großen Sozialisten Karl Marx und Friedrich Engels
vorausgesagt?
Karl Marx:
»In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nach-dem … die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch die Produktivkräfte gewachsen sind und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums vol-ler fließen … kann die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!<
Friedrich Engels:
»Die Möglichkeit, vermittelst der gesellschaftlichen Produktion allen Gesellschaftsgliedern eine Existenz zu sichern, die nicht nur materiell vollkommen ausreichend ist und von Tag zu Tag reicher wird, sondern die ihnen auch die vollständige freie Ausbildung und Betätigung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen garantiert, diese Möglichkeit ist jetzt zum erstenmal da, aber sie ist da.«
Wahrscheinlich werden nicht alle diese Voraussagen von Marx und Engels gekannt haben, aber alle, die auf dem Platz der Revolution versammelt waren, verstanden, was Lenin meinte, als er an die Vorhersagen der großen Sozialisten erinnerte. Sie selbst hatten das Tor zur glücklichen Zeit aufgestoßen. Sie hatten die Revolution zum Siege geführt, die alte verhaßte Ordnung gestürzt, die öffentliche Gewalt ergriffen und den Neubau ihres Lebens begonnen.
Vieles war vollbracht worden in diesem ersten Jahr der Sowjetmacht – mehr und Bedeutungsvolleres als vordem im Verlaufe ganzer Jahrhunderte.
Das war ER, der bisher die »öffentliche Gewalt« verkörpert hatte, der Ietzte Zar – Nikolaus II
Sein Titel lautete:
„Von Gottes hilfreicher Gnade Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen,
Zar zu Moskau, Kiew, Wladimir-Nowgorod,
Zar zu Astrachan, Zar zu Polen,
Zar von Sibirien,
Zar der Taurischen Chersones, Großfürst von Litauen, Wolhynien, Podolien und Finnland.«
Er war willensschwach und grausam, ein wenig beschränkt. Zudem lebte er in ständiger Angst. Nur wenige seiner Vorgänger waren eines natürlichen und friedlichen Todes gestorben. Viele waren von ihren Nachfolgern umgebracht, in Palastrevolutionen gestürzt und beseitigt worden. Seinen Großvater, Alexander II., hatte die Bombe eines Terroristen zerrissen. Über dem Leben des letzten Romanow lag außerdem der Schatten einer schrecklichen Prophezeiung: In seiner Herrschaftszeit würden böse Vorkommnisse aller Art, Elend, Krieg und Aufstände, über das Reich kommen. So hatte es hundert Jahre vorher der Wundermönch und Prophet Seraphim von Sarow verkündet. Da der abergläubische Zar an diese Voraussage glaubte, lieferte er sich einem anderen Wundermönch aus – Rasputin.
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Fortsetzung folgt...